Allotoca-Mesa Central, Jahresbericht 2021

Abschnitt A: Die Entwicklung der Mitgliederzahlen seit Januar 2020

  Zu Beginn des Jahres 2020 umfasste das Projekt Allotoca-Mesa Central vierzehn Teilnehmer. Hochgerechnet aus den vorhergehenden Jahren ließ eine Prognose für das damals begonnene Jahr eine Steigerung auf achtzehn oder neunzehn Teilnehmer erwarten, was mit zwanzig in etwa auch zutraf. Hingegen übertraf das Jahr 2021 alle Erwartung in Hinblick auf das Wachstum der Teilnehmerzahl. Aktuell sind 29 Teilnehmer in das Projekt integriert, darunter eine Schule und fünf Zoos, und damit umfasst das Projekt heute mehr als doppelt so viele Teilnehmer wie noch zwei Jahre zuvor! Ein Teilnehmer, der auf mysteriöse Weise (Diebstahl) alle Fische verlor, verließ das Projekt, ein weiterer verfügt im Augenblick über keinen Bestand, bleibt dem Projekt aber erhalten und will sich künftig auch wieder als Züchter engagieren. Ganze elf Nationen sind vertreten, am stärksten Ungarn mit fünf, gefolgt von den USA, Großbritannien und Deutschland mit jeweils vier Teilnehmern.

  Was bewirkte dieses außergewöhnliche Wachstum im Teilnehmerbereich? Zum einen sicherlich das sich Besinnen auf das eigene Heim, bedingt durch diverse Ausgangssperren und der Beschränkung der Reisefreiheit im Zuge der Corona Pandemiegesetze, was ganz allgemein der Aquaristik einen gehörigen Aufschwung bescherte. Zum anderen aber auch die Anstrengungen einiger Züchter, manche Arten gezielt zu vermehren und den aufwachsenden Überschuss entsprechend an neue Teilnehmer zu verteilen. Etwas, das durch eine etwas lockerer Handhabung der Bestimmungen erleichtert wurde. So bekamen neue Teilnehmer öfter Mal Fische ausgehändigt, bevor die geforderten Unterlagen unterfertigt waren. Trotzdem ist kein einziger Fall bekannt, wo nach dem Erhalt der Fische die Unterlagen nicht geliefert wurden. Diese Praxis hat sich bewährt und wird in entsprechender Form wohl weiter fortgeführt werden. Die Verteilung der Fische erfolgte aufgrund der vorhin angesprochenen Beschränkungen meist ohne persönlichen Kontakt, lediglich das gemeinsame Treffen der Goodeid und der Xiphophorus Working Group im Oktober 2021 gab Gelegenheit, Fische persönlich zu übergeben.

 Laguna Palo Verde, Lebensraum von Allotoca maculata Abfluss der Quelle bei der alten Mühle von Chapultepec, Lebensraum von Allotoca diazi und dugesii

 

Abschnitt B: Charakterisierung und aktuelle Situation der Fischbestände in den Aquarien

  Hierzu muss vorab angemerkt werden, dass die Bestandszahlen des Jahres 2019, die mit Stichtag 18. Januar 2020 veröffentlicht wurden, zum Teil auf grobe Schätzung zurück zu führen waren, weil ein größerer Teil der Teilnehmer keine Bestandszahlen bekannt gab. In einigen Fällen wurden bekannte Bestände hinzugefügt, in anderen geschätzt, womit die Zahlen mit einem gewissen Unsicherheitsfaktor behaftet waren. Dieses Mal bestand die Projektleitung auf eine Bestandsmeldung, allerdings dauerte dadurch die Erhebung mit beinahe sechs Wochen auch ungleich länger. Eine zeitnahe Reaktion mancher Projektteilnehmer würde viel an Zeit sparen. Hier die Ergebnisse:

  Allotoca catarinae: Für 2019 war die Zahl auf knapp 100 geschätzt worden, 2021 umfasst sie 84 Individuen, was einen leichten Rückgang widerspiegelt. Die Art befindet sich nur bei sechs Teilnehmern, von denen jeweils drei in den USA und drei in Europa zu finden sind. Die USA-Bestände beschränken sich mehr oder weniger auf einen Teilnehmer, die der anderen beiden sind mit zwei Weibchen bzw. drei gemeldeten Jungtieren marginal. Bei den europäischen Züchtern sind es zwei mit nennenswerten Beständen, ein weiterer Züchter meldete ein Weibchen. Diese Art ist im Zuge der Konzentration auf bedrohtere Arten in den letzten beiden Jahren ein wenig unte die Räder gekommen und erfordert dringend ein stärkeres Engagement.

  Allotoca diazi: Ähnliches gilt für diese Art. Vor zwei Jahren wurden die Bestände auf ungefähr 150 Tiere geschätzt, aktuell sprechen wir von 91 Individuen bei sieben Züchtern, davon drei in Großbritannien. Die amerikanischen Bestände konzentrieren sich bei einem Teilnehmer, beinahe die Hälfte der Tiere schwimmen bei zwei Teilnehmern in Österreich. Auch diese Art erfordert deutlich mehr Aufmerksamkeit. Im Gegensatz zur vorherigen ist hier aber doch einiges an Jungfischen vorhanden und die Art ist generell gleichmäßiger verteilt. Der Rückgang bei dieser und der vorigen Art, wenn auch im überschaubaren Rahmen, aber vor allem der folgenden, ist zum Teil sicher auf die Konzentration auf andere, in der Natur bedrohtere Arten zurückzuführen, zum Teil aber auch auf die Gesamtzahl der Arten und Populationen innerhalb des Projektes, die zwangsläufig dazu führt, dass nicht alle davon gleich aufmerksam betreut werden können. Dem wird künftig mit einer Teilung des Projektes Rechnung getragen, doch dazu mehr am Schluss des Jahresberichtes.

  Allotoca dugesii: War die Art vor einigen Jahren beinahe die einzige der Gattung Allotoca, die in Aquarien von Hobbyisten gefunden werden konnte, ist dieses Kleinod mittlerweile eine Rarität. Zugegeben, sie war zu Projektbeginn nur schwach im Projekt vertreten; die Schwerpunktsetzung galt vor allem den anderen Arten, die in der Natur weit gefährdeter waren und sind. Dennoch waren 2019 geschätzte 100 Stück im Projekt vertreten. Aktuell sind es keine vierzig mehr, noch dazu aufgeteilt auf zwei unterschiedliche Entwicklungslinien. Von der Population aus dem Gebiet um den Chapalasee sind es noch zwölf Tiere, die bei zwei europäischen Züchtern schwimmen, bei der aus dem Gebiet des Pátzcuarosees etwa doppelt so viele bei ebenso zwei Züchtern, allerdings auf zwei Kontinenten. Hier, auch wenn die Art in der Natur doch noch an einigen Stellen vorkommt, ist Feuer am Dach. Nicht nur, dass sie innerhalb des Projektes schwach vertreten ist, so ist sie auch bei Goodeidenliebhabern außerhalb des Projektes immer seltener zu finden. Hier müssen definitv Anstrengungen unternommen werden. Ein Grund mehr, der für eine Teilung des Projektes spricht. 

  Allotoca goslinei: Die einzige Art der Gattung, die als ausgestorben in der Natur gilt, und die Anfang 2019 nur noch bei zwei Züchtern im, und einem bis zwei außerhalb des Projekt vertreten war. Ihr galt ein großer Teil der Anstrengungen der letzten Jahre, und sie zeigt, wie erfolgreich private Halter sein können, wenn es drauf ankommt. Allotoca goslinei ist eine der Erfolgsgeschichten des Allotoca-Mesa Central Projektes und sehr stark mit Einzelinitiativen verbunden. Mit Fabien Liberge aus Frankreich, der die Art vom Rande des Aussterbens zurückholte, und Jože Vrbančič aus Slowenien, der nicht müde wurde, seine Überschüsse europaweit zu verteilen. Lebten zu Beginn des Jahres 2020 geschätzte 200 Individuen im Projekt, so sind es numnehr über 330, davon beinahe 190 Jungfische, und das bei vierzehn Projektteilnehmern! Ein Großteil (130 Stück) findet sich immer noch in Frankreich, aber die Erfolge bei anderen Züchtern sind ein Zeichen dafür, dass es mit den Beständen steil nach oben geht.

  Allotoca maculata: Diese Art erlebte ein bisschen eine Achterbahnfahrt: Zu Jahresbeginn 2020 praktisch aus dem Projekt verschwunden, gelang es Milan Murko aus der Slowakei kurze Zeit später, zu Beginn der Corona-Wirren im März, einige Tiere nach Bratislava zu holen. Die nächsten Monate lief die Zucht wunderbar, bald war von 100 Jungtieren die Rede, jedoch verhinderten geschlossene Grenzen, ein warmer Sommer und ein Darniederliegen jeglicher Reisemöglichkeiten eine Verteilung. Im Jahr darauf waren die Bestände geschrumpft, aber es konnten zumindest Fische verteilt werden. Aktuell sind es 27 Tiere, die bei drei Züchtern auf zwei Kontinenten leben. Es herrscht gedämpfte Hoffnung, dass nun mit dieser Art ein ähnlicher Erfolg möglich ist wie mit Allotoca goslinei

  Allotoca meeki: Diese Art zählt auch zu den Erfolgsgeschichten des Projektes: 100 Individuen aus dem letzten Jahresbericht vom Januar 2019 stehen aktuell 238 Individuen bei neun Züchtern gegenüber. Diese Art wurde nach dem letzten Bericht etwas gepusht, was mit entsprechendem Erfolg gekrönt war, allerdings auf Kosten der Schwesterart Allotoca diazi, deren Bestände damals als sicherer angesehen wurden. Zwei jahre später sieht es genau umgekehrt aus, allerdings ist Allotoca meeki in der Natur wohl weit gefährdeter. Dennoch spricht auch dieses Szenario für eine Teilung des Projektes.

  Allotoca zacapuensis: Die endemische Art aus dem Zacapúsee ist aktuell die, die am stärksten im Projekt vertreten ist, und deren Jungfischzahl darauf hinweist, dass sich da so schnell nichts ändern wird: Bereits zum Jahresbeginn 2020 umfasste die Art knapp 300 Individuen, mittlerweile sind es beinahe 420. Achtzehn Teilnehmer nehmen sich dieser Art an, die meisten Individuen schwimmen bei Rafael Kölzer in Portugal und im Tropiquaria Zoo in Großbritannien. Als Teil der Erfolgsgeschichte ist wiederum Jože Vrbančič zu nennen, der seine Nachzuchten erheblich umverteilt hat und damit weitere Teilnehmer ins Projekt führte.

  Neoophorus regalis: Diese Art ist als einzige nicht im Projekt vertreten. Corona bedingt waren Mexikoreisen nicht risikolos durchführbar, wodurch es Nachzuchttiere aus zwei Populationen, die für das Projekt gedacht sind und an der Universität Morelia ihrer Abholung harren, ihren Weg nach Europa oder die USA noch nicht gefunden haben. Das wird sich hoffentlich in diesem Jahr ändern.

Holotyp von Allotoca dugesii. Die Art wurde als erste der Gattung 1887 beschrieben Holotyp von Allotoca zacapuensis. Die Art wurde als letzte der Gattung 2001 beschrieben

 

C. Die Zukunft des Projektes

  Es hat sich gezeigt, dass die Teilnehmer des Projektes in der Lage sind, eine durchaus bedrohliche Situation für eine Art abzuwenden und die Bestände zu sichern. Es hat sich aber auch gezeigt, dass das unter Umständen – die Anzahl der Aquarien ist begrenzt - auf Kosten einer anderen Art passiert, die dadurch Aufmerksamkeit verliert. Auch hat es sich gezeigt, dass mit mittlerweile fast 30 Teilnehmern es organisatorisch schwieriger wird, obwohl noch immer nicht für alle Arten ausreichend Züchter gefunden sind. Wie kann man dem begegnen? Ist es machbar, ein Projekt mit acht Arten und einigen weiteren Populationen, die als separate Einheiten gezogen werden müssen, und dann vielleicht einmal 60, 70 oder gar 80 Teilnehmern zu koordinieren? Vermutlich nicht, aber Arten aus dem Projekt auszugliedern, um es zu straffen, ist bei einer in der Natur ausgestorbenen Art, einer gefährdeten und sechs stark gefährdeten auch nicht wirklich eine Option. Die Lösung, die sich hier anbietet, ist, das Projekt zu teilen, oder besser gesagt, zwei Unterprojekte zu schaffen, die unter der Allotoca-Mesa Central Projekt-Bezeichnung als zwei getrennt geleitete Einheiten fungieren sollen. Natürlich wird es bei den Teilnehmern Überschneidungen geben, aber es wird auch Teilnehmer geben, die nur in einem der beiden Unterprojekte tätig sein werden. Der große Vorteil jedoch wird sein, dass den Unterprojekten mit nunmehr jeweils vier Arten besser Rechnung getragen werden kann. Die Projektleitung wird sich deutlich leichter tun und es wird kaum passieren, dass die eine oder andere Art durch den Rost fällt. Ein Unterprojekt wird die sogenannte Allotoca diazi-Gruppe (catarinae, diazi und meeki) und ihren nächsten Verwandten Allotoca zacapuensis umfassen. Da sich all diese Arten durch eine senkrechte Bänderung auszeichnen wird dieses Unterprojekt Banded Allotoca Project (BAP) genannt werden. Das zweite Unterprojekt umfasst neben der ursprünglichen Art Allotoca maculata die beiden Arten der Allotoca dugesii–Gruppe (dugesii und goslinei) sowie Neoophorus regalis. All diesen Arten ist ein mehr oder weniger ausgeprägter Seitenstreifen eigen, woraus sich die Bezeichnung Lined Allotoca and Neoophorus Project (LANP) ableitet. Beide Projekte werden künftig eine eigene Projektleitung aus Projektleiter und Projektleiterstellvertreter besitzen und unter dem einenen Namen Allotoca – Mesa Central weitestgehend autonom agieren. Das soll bereits ab dem 01. Mai 2022 so sein.

Männchen von Allotoca meeki. Die Art findet sich im Banded Allotoca Prpject wieder. Männchen von Allotoca goslinei. Die Art findet sich im Lined Allotoca and Neoophorus Project wieder.

 

D. Pläne bezüglich der Arten

  Einige Arten sind innerhalb des Projektes sehr gut vertreten – es handelt sich um Allotoca goslinei, meeki und zacapuensis. Hier wird zum Teil ein Stadium bereicht, wo man versuchen kann, die Bestände innerhalb des Projektes zu stabilisieren, ohne sie auszubauen. Wie das geschehen soll, wird Bestandteil der künftigen Projektbeschreibung sein. Zwei weitere Arten – Allotoca catarinae und diazi – sollen durch verstärkte Zuchtaktivitäten und die Ausweitung auf weitere Teilnehmer mit bereits bestehenden Beständen vergrößert werden. Hier ist anzumerken, dass vier der bisher genannten fünf Arten das BAP Unterprojekt bilden, das hiermit das Unterprojekt mit der stärkeren Verwaltungsarbeit sein wird. Zwei weitere Arten, Allotoca dugesii und maculata, sind nur in geringen Stückzahlen im Projekt angesiedelt. Bei Allotoca maculata bleibt neben verstärkter Zuchtaktivität nur die Einfuhr von Tieren aus Mexiko, da außerhalb des Projektes kaum Züchter angesiedelt sind. Bei Allotoca dugesii wurden bisher – leider erfolglos – Versuche unternommen, weitere Züchter zu integrieren. Es gibt jedoch Züchter in der Tschechischen Republik, die diese Art zum Teil dem Handel anbieten. Es sollen von dort Tiere zugekauft werden und damit verstärkt gezüchtet werden, um die Projektbestände entsprechend zu unterstützen. Bei Neoophorus regalis bleibt nur die Möglichkeit, künftig Tiere aus Mexiko direkt ins Projekt einzugliedern. Das LANP Unterprojekt ist auf der einen Seite durch eine Art geprägt, die sehr gut verbreitet ist, und drei weiteren Arten, die unterrepräsentiert bzw. gar nicht vertreten sind. Hier wird verstärkt Teilnehmer-Werbung, Organisation von Tieren und Bestandsaufbau nötig sein, bei einer Art hingegen Bestandsstabilisierung. Warum Stabilisierung und nicht Bestandsausbau? Es ist einfach, gut züchtende Arten zu vermehren, aber damit blockiert man auch Aquarien für andere Arten. Auch sind für Wiederansiedlungsprojekte in der Zukunft (sofern sie nötig bzw. möglich sind) nur relativ wenige Tiere aus unterschiedlichen Beständen nötig, vielleiht 50 oder 70, die dann vor Ort unter möglichst naturnahen Bedingungen entsprechend vermehrt werden sollen, um eine Basis für die Wiederansiedlung zu schaffen. Ein ex situ Gesamtbestand als Backup Population von Tausenden Tieren bringt daher nicht sehr viel, vielmehr reichen wohl zwischen 300 und 500 Individuen bei zehn bis zwanzig Züchtern aus, um einen Bestand langfristig stabil zu halten und noch genügend genetischen Austausch zu zulassen. Auch das Festsetzen dieser angestrebten Anzahl an Individuen (Target number) und einer Mindestanzahl an Züchtern wird Bestandteil der Projektbeschreibung sein.

Männchen von Allotoca dugesii Weibchen von Neoophorus regalis.

Male of Allotoca diazi